Lustgewinn für die Seele
Sich Witze anzuhören und sie weiterzuerzählen, sind oftmals zwei verschiedene Dinge. In der Tat gibt es Leute, die – ohne es selbst zu bemerken – sogar den schönsten Witz um seine Pointe bringen können. Am besten hat derlei komische Variationen
Sich Witze anzuhören und sie weiterzuerzählen, sind oftmals zwei verschiedene Dinge. In der Tat gibt es Leute, die – ohne es selbst zu bemerken – sogar den schönsten Witz um seine Pointe bringen können. Am besten hat derlei komische Variationen Kurt Tucholsky beschrieben – in seiner legendären Satire «Ein Ehepaar erzählt einen Witz».
Der von Tucholsky als bedeutendster Zeitgenosse verehrte Sigmund Freud hat den Witz gar zum Gegenstand einer wissenschaftlichen Abhandlung gemacht. Darin bemerkt der Vater der Psychoanalyse: «Das Lachen gehört zu den in hohem Grade ansteckenden Äusserungen psychischer Zustände; wenn ich den andern durch Mitteilung meines Witzes zum Lachen bringe, bediene ich mich seiner eigentlich, um mein eigenes Lachen zu erwecken.» Und so Freud weiter: «Der Witz ist die sozialste aller auf Lustgewinn zielenden seelischen Leistungen.»
Das mag für Freud ein Trost gewesen sein, stellte er doch einige Jahre zuvor fest: «Die Absicht, dass der Mensch glücklich sei, ist im Plan der Schöpfung nicht enthalten.» Apropos Glück und Witz, hier die Frage dazu: Was könnte die im folgenden Dialog nur durch Punkte angedeutete Pointe sein?
«Sie sind der einfältigste und widerlichste Kerl, dem ich je begegnet bin!» «War das Spass oder Ernst?» «Natürlich war das mein Ernst!» «Da haben Sie aber Glück gehabt, denn . . .»
Noch eine Anmerkung zu einer kleinen Kunde des Witzes: Bis in die Zeit Goethes wurde Witz im Sinne von Klugheit und Geist (französisch: esprit) gebraucht. Auf diese Bedeutung weist das mit «wissen» und «weise» verwandte althochdeutsche «wizzi» hin, was Verstand und Erfahrung hiess. Enthalten ist diese Bedeutung in den beiden heute noch existierenden Redensarten «sich Witz kaufen» (das heisst: aus bitterer Erfahrung lernen) und «das ist der Witz der Sache» (das bedeutet so viel wie: Darauf kommt es an, das steckt dahinter). Die heutige Bedeutung ist erstmals Mitte des 19. Jahrhunderts aufgetaucht – und zwar durch die 1844 in München gegründete Witzpostille.
Quelle: Neue Zürcher Zeitung
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